Eine Ära geht musikalisch zu Ende
Interview mit dem scheidenden Dirigenten der Stadtkapelle, Wolfgang Geiger
aus der Kehler Zeitung vom 17.01.2015 - von Oscar Sala
Die Musiker der Stadtkapelle Hanauer Musikverein spielen heute Abend zum letzten Mal unter der Leitung von Wolfgang Geiger (57).
KEZ: Seit lhrem Antritt im Jahr 1993 haben Sie die Stadtkapelle menschlich und musikalisch geprägt, das heutige Jahreskonzert wird ihr letztes sein. Für viele ein überraschender Abschied...
Wolfgang Geiger: Eigentlich wurde ich damals von den Hanauern zunächst »nur« als Übergang geholt. Seinerzeit hatte ich selber noch ein anderes Orchester und man hat überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich die Stadtkapelle in Kehl übernehmen würde. Daraus sind 22 Jahre geworden. Es gibt nur einen einzigen Grund für den Abschied: Unser Musikgeschäft in Sundheim nimmt uns zeitlich ziemlich in Beschlag, da blieb immer wenig Raum für andere Belange. Dieser wurde bisher von der Stadtkapelle ausgefüllt, was ich immer sehr gern gemacht habe, aber man wird nicht jünger. Deswegen habe ich letztlich den Entschluss auch gefasst.
KEZ: Ist das auch lhr endgültiger Abschied als Dirigent?
Geiger: Ich habe kein neues Orchester in Aussicht und habe derzeit keine Ambitionen dazu. Ob ich später eventuell bei Projektorchestern oder weiterhin in diese Richtung noch etwas mache, weiß ich noch nicht. Musikalisch werde ich mich ab und zu bei unserem kleinen Bläserensemble aktiv einbringen, aber das ist an sich keine feste Institution. Musik gehört ohnehin zu meinem Leben und wird auch zukünftig, auch familiär bedingt, eine wichtige Rolle spielen.
KEZ: Welche Gefühle kamen bei der letzten Probe hoch?
Geiger (sichtlich gerührt): Vor einigen Tagen habe ich den Musikern noch eine Nachricht geschickt, weil ich es wahrscheinlich bei der Generalprobe oder beim Auftritt am Samstag emotional nicht hinbekomme. Das schlimme daran ist, dass wir eine sehr intensive Probenphase hinter uns haben. Die jüngsten Proben waren unglaublich gut besucht und alle waren sehr konzentriert dabei. Wir alle in der Stadtkapelle geben uns größte Mühe, dass das bevorstehende Jahreskonzert ein genauso hohes musiklaisches Niveau wie in den letzten Jahren erreicht. Zudem kommt noch die enge menschliche Beziehung zu den Musikern. Das erschwert zusätzlich den Abschied. 80 Prozent der Musiker der Stadtkapelle kennt keinen anderen Dirigenten und viele Musiker, die noch heute im Orhcester spielen, habe ich selber ausgebildet. Ich verliere zwar ein Orchester, habe aber dafür sehr viele Freunde gewonnen.
KEZ: Welche Erfahrungen und Eindrücke bleiben?
Geiger: Meine Erfahrungen waren und sind durchweg positiv. Die Kameradschaftsfahne wurde immer sehr hoch gehalten. In meiner musikalischen Tätigkeit wurde mir vom Vorstand stets freie Hand gelassen. In bester Erinnerung werden mir vor allem unsere Jahreskonzerte und Rosengartenkonzerte bleiben, die immer musikalische Höhepunkte waren. Als besondere Erlebnisse möchte ich die Konzerte zur Landesgartenschau, den Konzertabend 2007 mit Feuerwerk im Rheinvorland zur Einweihung des deutsch-französischen Feuerlöschbootes, aber auch der Auftritt zum Nato Gipfel 2009 hervorheben.
KEZ: Erinnern Sie sich noch an ihre Anfangszeit bei den Hanauern und wie hat sich die Stadtkapelle entwickelt?
Geiger: Man hat mich ja in Kehl gekannt, mein Bruder Ferenc war dreizehn Jahre vor mir Dirigent bei den Hanauern und deshalb hatte ich als junger Kerl schon an der posaune mehrfach ausgeholfen. Das Orchester, das ich bei meinem Antritt vorfand, war etwas überaltert. Jugend war eigentlich keine da, das musste alles neu aufgebaut werden. Das Orchester hat schon damals eine hohe Qualität aufgewiesen und sehr gute Musiker gehabt. Beim Repertoire ging es aber noch recht traditionell zu; das hat sich vor allem in den letzten zehn Jahren etwas geändert. Hinzugekommen sind viele hochwertige Originalkompositionen für Blasmusik und moderne Arrangements. Mit unserer Musik haben wir offensichtlich den Nerv des Publikums getroffen, sonst hätten wir bis heute nicht so eine positive Resonanz.
KEZ: Ist zum Abschied eine musikalische Rückschau geplant?
Geiger: Nein, wir wollen es wie bisher halten und ein komplett neues Programm präsentieren. Das Publikum kann sich etwa auf den Einzugsmarsch aus »Der Zigeunerbaron«, die »Karneval Ouvertüre« von Anton Dvorak, Bachs »Badenerie« und schwungvoller Barockmusik von Händel mit dem »Einzug der Königin von Saba« freuen, aber auch modernere Titel wie »Sexbomb«, »Winter Wonderland« sowie ein Elvis-Spezialarrangement werden für kurzweilige Unterhaltung sorgen.
KEZ: Gibt es schon einen Nachfolger und was möchten Sie ihren Hanauern auf den Weg geben?
Geiger: Nein, es ist noch nicht ganz soweit, aber auf jeden Fall sollen die Musiker den neuen Mann mit besten Kräften unterstützen, so dass die Arbeit im Orchester und im Verein weitergeführt werden kann. Ich habe 22 unglaublich schöne musikalische und private Jahre bei meinen Hanauern erlebt und das wünsche ich ihnen den Musikern auch für die Zukunft.